Wettbewerbsvorteil durch interne Kommunikation

Kein reiner Luxus


Eigentlich sollten sie der Traum jedes Geschäftsführers sein: Motivierte Mitarbeiter, die ihr Unternehmen auch nach 17 Uhr noch positiv vertreten. Doch eine solche Situation entsteht nun einmal nicht durch puren Zufall, sie muss erarbeitet werden. Das zentrale Element dabei ist eines, das zu oft auf die lange Bank geschoben wird: die interne Kommunikation.

Stellt sich die Frage: Weshalb wir dieses durchaus unternehmenskritische Führungsinstrument häufig so stiefmütterlich behandelt? Zum einen wird noch immer häufig nach dem Prinzip gehandelt, die Mitarbeiter sollten sich auf ihre Arbeit konzentrieren, alles andere sei nicht ihr Problem. Zum anderen fürchtet man negative Konsequenzen, wenn unerfreuliche News zu früh an die falschen Stellen gelangen. Und überhaupt stellen die unerfreulichen Mitteilungen das größte Problem dar: Wenn sie sich am Horizont abzeichnen, wird auch der mitteilungsfreudigste Geschäftsführer schnell zum stummen Zeitgenossen – obwohl das genau der falscheste aller Zeitpunkte dafür ist. Was die interne Kommunikation für KMU zu leisten im Stande ist und wie man sie angeht, wenn man das Thema bisher gewissenhaft ignoriert hat, erklärt Anfried Baier-Fuchs im Interview mit KMU Spezial.

Interview mit Anfried Baier-Fuchs
Von Tobias Wessels


Öffentlichkeitsarbeit durch das Personal

Die interne Kommunikation hat entscheidende Auswirkungen darauf, welches Bild der Mitarbeiter von seinem Unternehmen nach außen vermittelt. Spielt dies im KMU-Land Schweiz, in dem noch dazu alles so eng beisammen liegt, eine noch größere Rolle als beispielsweise in Deutschland?

A. Baier-Fuchs: Da würde ich keinen Unterschied von Land zu Land machen. Egal wo man lebt, eine Familie, Freunde und vielleicht auch einen „Stammtisch“ hat jeder Mitarbeiter. Für das Unternehmen ist es auf jeden Fall besser, wenn der Mitarbeiter aus eigener Kenntnis in Fragen zu seinem Arbeitgeber Stellung beziehen kann. Wer zugeben muss, auch nur aus der Presse Bescheid zu wissen, weil „ihm mal wieder nichts gesagt“ wurde, zeichnet kein positives Bild seines Unternehmens. Was übrigens auch einen erheblichen wirtschaftlichen Faktor darstellt: Die Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens wird durch gut informierte Mitarbeiter grundlegend unterstützt. Sind diese schlecht informiert, konterkarieren sie unter Umständen die Bemühung in der Pressearbeit und in der Werbung.

Unter Umständen werden sie das sogar durchaus aktiv tun: Werden Probleme nicht im Unternehmen diskutiert, tragen die Mitarbeiter sie vermutlich mit gehöriger Wut im Bauch nach außen.

A. Baier-Fuchs: Auf der anderen Seite machen gut informierte und motivierte Mitarbeiter sogar Werbung für ihr Unternehmen. Wenn sie stolz darauf sind, werden sie auch das nach außen tragen, nicht nur, wenn sie danach gefragt werden. Ein weiterer Grund, in die interne Kommunikation zu investieren.


Die Nase vorn im Rennen um die besten Bewerber

Gibt es Unternehmen, die mit Fug und Recht behaupten können, davon nicht betroffen zu sein. Wie wichtig ist das Zeugnis, das die Mitarbeiter ausstellen, zum Beispiel für einen Zulieferer in der Automobilindustrie?

A. Baier-Fuchs: Natürlich muss man nach Branchen unterscheiden. Doch auch wer diesen starken öffentlichen Effekt nicht hat, wünscht sich motiviertes Personal. Hinzu kommt: Es werden ja nicht nur Arbeitsplätze abgebaut, jedes Unternehmen ist doch auf der Suche nach guten, professionellen Mitarbeitern. Um bei Ihrem Beispiel zu bleiben: Die angestellten Ingenieure eines solchen Betriebs haben unter Garantie Kontakt zu Berufskollegen und mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu ihrer ehemaligen Uni oder technischen Hochschule. Wenn sie dort ihren Arbeitgeber positiv vertreten, hat der es leichter, qualifizierte Leute zu finden. Noch wichtiger ist der gut informierte und entsprechend gesprächsfähige Mitarbeiter natürlich z. B. in einem Dienstleistungsunternehmen. Denken sie nur daran, welche Rolle es spielt, wie der Kontakt mit einem Kunden abläuft – sei es nun am Telefon, am Bankschalter, im Supermarkt oder beim Ticketkauf. Die Wirkung von Mitarbeitern als Teil des Produkts ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Und nicht zu vergessen: Diese Außenwirkung ist nur ein Effekt einer intakten internen Kommunikation.

Sie bezeichnen die interne Kommunikation als Chef-Sache. Weswegen ist dieser Punkt so wichtig?

A. Baier-Fuchs: Interne Kommunikation ist ein Führungsinstrument, und Führung fängt ganz oben an. Wenn der Boss sich darum kümmert, dann verleiht er diesem Thema eine große Bedeutung und die anderen Führungskräfte werden seinem Vorbild folgen. Überlässt man die interne Kommunikation nur der Kommunikationsabteilung, sind alle Bemühungen zum Scheitern verurteilt, solange die Führungscrew nicht mitmacht. Darüber hinaus freut sich doch jeder Mitarbeiter, mal ein paar persönliche Worte vom Chef zu hören: Das macht ihn stolz und motiviert ihn, weil er merkt, dass er und seine Arbeit geschätzt werden. Außerdem ist Kommunikation ja keine Einbahnstraße. In solchen Begegnungen erfährt die Firmenleitung auch, was die Basis denkt, was richtig und was falsch läuft und vor allem wie das Feedback der Kunden ausfällt.

Meistens erkennt man den Wert der internen Kommunikation erst in ausgewachsenen Krisensituationen. Wie kann man in diesem Fall noch einen Anfang wagen, ohne von Beginn an unglaubwürdig zu wirken?

A. Baier-Fuchs: In einer schwierigen Situation hat man natürlich eine ungünstige Ausgangslage, weil die Mitarbeiter zu recht denken: Aha, jetzt kommt er also. Die einzige Chance für dauerhaften Erfolg ist, eine Kontinuität in die Kommunikation zu bringen. Es dauert zwar seine Zeit, bis man so das gewünschte Vertrauen aufbaut, aber das ist wohl der einzige Weg.

Statt großer Ankündigungen also Taten sprechen lassen?

A. Baier-Fuchs: Genau: Ich kündige nichts an, sondern tue es einfach. Für einen riesigen Kickoff kann man viel Geld ausgeben, aber es ist sinnvoller, die Kommunikation so schnell wie möglich zu beginnen und kontinuierlich fortzusetzen. Übrigens halte ich es für weniger schwierig, in einer Krisensituation mit zugegeben schlechten Vorzeichen zu beginnen, als eine einmal abgebrochene Kommunikation wieder zu beleben. Noch nicht vorhandenes Vertrauen ganz neu aufzubauen ist eine Sache, enttäuschtes und verlorenes Vertrauen wieder zu gewinnen eine völlig andere.

Sie geben immer wieder Seminare zum Thema interne Kommunikation. Welchen Eindruck gewinnen Sie dabei: Hat sich mittlerweile die Einsicht durchgesetzt, dass es sich dabei nicht um einen Luxus handelt, um den man sich kümmern kann, wenn im Betrieb bereits alles andere rund läuft?

A. Baier-Fuchs: Ich habe den Eindruck, dass diese Einsicht wächst. Es gibt immer mehr Unternehmen, die sich für dieses Thema interessieren. Ich lege besonderen Wert darauf herauszustreichen, dass interne Kommunikation nicht zum Selbstzweck betrieben wird, sondern einen echten Sinn für Unternehmen hat. Jeder Geschäftsführer stellt sich natürlich die Frage nach dem Return on Invest und überlegt sich so vollkommen zu Recht, welche wirtschaftlichen Resultate er sich von der internen Kommunikation versprechen kann. Hierzu ist zu sagen, dass interne Kommunikation – richtig eingesetzt – einen echten Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens leisten kann und muss.


Die beste Kommunikation ist das gesprochene Wort

Apropos Return on Invest: Sehen Sie sich oft mit der Frage nach den Kosten konfrontiert?

A. Baier-Fuchs: Die Frage wird durchaus gestellt, doch wäre es ohne Zweifel unseriös, hier irgendwelche Pauschalen zu nennen. Zuerst einmal gilt es, die Situation in dem betreffenden Unternehmen zu analysieren, dann mögliche sinnvolle Maßnahmen vorzuschlagen und letztendlich zu fragen: Was davon soll jetzt auch verwirklicht werden? Meiner Meinung nach ist die beste Lösung nicht die teuerste, die möglichst viele ausgefallene Medien zur Verwendung bringt. Entscheidend ist, sich zielorientiert auf das zu konzentrieren, was Nutzen bringt. Es geht einfach nichts über den Ausspruch: Die beste Kommunikation ist das gesprochene Wort. Auch in größeren Unternehmen, in denen das nicht so einfach funktioniert wie in einem Fünf-Mitarbeiter-Betrieb, sollte man nie aus den Augen verlieren, dass die persönliche Begegnung den Idealfall darstellt. Gerade bei der Kommunikation via E-Mail besteht die Gefahr, im Unternehmen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu erzeugen: Wer keinen ständigen Mail-Zugang hat, bleibt außen vor – und das gilt es natürlich um jeden Preis zu vermeiden. Außerdem habe ich bei allen Medien, elektronisch oder nicht, keinerlei Kontrolle, ob sie auch wirklich genutzt werden. Was ich jemandem persönlich sage, wird zumindest einmal wahrgenommen.

Was halten Sie grundsätzlich von den Instrumenten Mitarbeiterzeitung und Intranet?

A. Baier-Fuchs: Die Mitarbeiterzeitung ist ein ganz klassisches Instrument der internen Kommunikation, deren Stellenwert sich durch die Einführung des Intranet natürlich verändert. Ich halte sie dennoch für sehr wichtig. Es kommt dabei nicht darauf an, wie teuer sie aufgemacht ist, die Frequenz und Aktualität sind entscheidender als das Erscheinungsbild. Ein einfacher, aber häufiger und regelmäßiger Newsletter ist der aufwändigen Mitarbeiterzeitung vorzuziehen, die nur viermal im Jahr erscheint und konsequenterweise zu Ostern über die Weihnachtsfeier berichtet.
Ideal ist die Kombination der beiden Elemente: Im Intranet werden zeitnah alle wichtigen Fakten kommuniziert, die Mitarbeiterzeitung kann Hintergründe und Kommentare nachliefern. So ist man es ja mittlerweile auch von den „normalen" Medien gewöhnt. Das ist übrigens auch ein guter Qualitätsmaßstab: Eine Mitarbeiterzeitung sollte so angelegt sein, dass sie die Angestellten auch am Kiosk kaufen würden. Dazu ist es nötig, sich den Lesegewohnheiten der Adressaten anzupassen. Zum Beispiel Truckern eine Mitarbeiterzeitung im Stile der NZZ aufs Auge zu drücken ist definitiv der falsche Weg.


Interne Kommunikation ist ein Führungsinstrument

Gerade beim Intranet drängt sich bisweilen der Verdacht auf, dass es sich dabei um ein praktisches Alibi handelt. „Wir haben ja Intranet“ – und deswegen müssen wir uns um die interne Kommunikation keine Gedanken mehr machen…?

A. Baier-Fuchs: Interne Kommunikation ist ja kein Patchwork verschiedener Medien. Für mich ist sie ein Führungs- und Gestaltungsinstrument. Die einzelnen Medien dienen letztlich nur dem Zweck, die Kommunikation in Fluss zu halten. Vorher muss man sich aber Gedanken darüber machen, was überhaupt kommuniziert werden soll. Und man muss sich bewusst sein: Vernünftige interne Kommunikation muss kontinuierlich und frühzeitig stattfinden und sich sensibel mit der Situation der Mitarbeiter auseinandersetzen. Außerdem ist Offenheit und Ehrlichkeit unerlässlich: Wer die zur Verfügung stehenden Medien nur nutzt, um Sachlagen zu vernebeln, erreicht gar nichts. Und eine reine Schön-Wetter-Kommunikation, also die Publizierung nur positiver Meldungen, ist pure Geldverschwendung, da sie nicht geeignet ist, Vertrauen aufzubauen. Genau das ist aber der Sinn der internen Kommunikation.

Haben Sie ein Patentrezept, wie man seinen Mitarbeitern schlechte Nachrichten am schonendsten kommuniziert?

A. Baier-Fuchs: Für mich muss interne Kommunikation prozessorientiert sein. Das heißt, ich warte nicht ab, bis etwas Positives oder Negatives passiert, und teile es dann mit; vielmehr sind die Mitarbeiter in die Abläufe im Unternehmen von Beginn an mit ein zu beziehen. Nehmen wir Arbeitsplatzabbau als Beispiel: Wenn in einem Unternehmen kontinuierlich über die Wettbewerbssituation berichtet wird, wird für Mitarbeiter deutlich, dass es Konkurrenten gibt, die die eigenen Preise vielleicht unterbieten können. Damit erreicht man zweierlei: Auf der einen Seite sieht der Mitarbeiter, dass im eigenen Unternehmen auf mehr Effizienz geachtet werden muss. Auf der anderen Seite wird er aber auch nicht von Überlegungen überrascht, ein Unternehmen hinzuzukaufen oder einen Standort zu schließen – er war schließlich von Anfang an informiert. Unter dem Strich ergibt sich wesentlich höher motiviertes Personal, das weiß, worauf man hinarbeitet.


Mit gutem Beispiel voran…

Haben Sie in Ihrer Karriere jemals ein Unternehmen erlebt, das Sie als vorbildlich in der internen Kommunikation bezeichnen würden?

A. Baier-Fuchs: Als aktuelles Beispiel kann ich die Toll Collect GmbH in Deutschland nennen, für die ich einige Monate als Interimsmanager tätig war. Auch wenn die Firma im Zusammenhang mit der Mauteinführung von vielen Seiten skeptisch betrachtet wird, ist sie auf dem richtigen Weg und aktuelle Tests mit Speditionen laufen durchaus zufriedenstellend. Wie auch immer: Wir haben dort Anfang des Jahres angefangen, die interne Kommunikation aufzubauen. Beispiel: Die neue Geschäftsführung wurde Anfang März auf einer Pressekonferenz vorgestellt, gleich anschließend ging es zu einem Treffen mit den Führungskräften und weiter zu Vorstellungsrunden an den drei Standorten Berlin, Potsdam und Bonn. Es wurde festgelegt, dass sich die Geschäftsführung an jedem ersten Mittwoch im Monat mit allen Führungskräften trifft, an jedem zweiten besucht sie einen der Standorte. Das wird auch konsequent so durchgezogen. Außerdem "lebt" das Intranet. Dort gibt es jeden Tag Interessantes zu lesen, auch wenn es nur kurze Texte sind, außerdem werden Presseartikel über das Unternehmen zusammen gestellt - gegebenenfalls gibt es dann zusätzliche Informationen oder Argumente, um mit "Externen" diskutieren zu können. Wenn diese lebendige interne Kommunikation kontinuierlich fortgeführt wird, kann man von einem wirklich gelungenen Beispiel sprechen.

Vielen Dank für das ausführliche Gespräch!


Erschienen in der Zeitschrift KMU-Spezial, Ausgabe 2/04, Seite 50 ff.